Wir sind dabei! Hand in Hand für Norddeutschland. Eine Benefizaktion des NDR mit den Bürgerstiftungen.

Die Benefizaktion des NDR „Hand in Hand für Norddeutschland“ kooperiert in diesem Jahr mit den
Bürgerstiftungen im Norden. Gemeinsam setzen sich die Partner das Ziel, die Einsamkeit vieler
Menschen in unseren Nachbarschaften zu mindern – mit zahlreichen Projekten und hoher
Aufmerksamkeit für dieses wichtige gesellschaftliche Thema. Denn Einsamkeit kann auf Dauer krank
machen – und wirkt sich auch auf die Gesellschaft aus. Laut Studien lehnen Menschen, die sich häufig
allein und unverbunden fühlen, mit höherer Wahrscheinlichkeit die Demokratie ab und engagieren
sich weniger. Die mehr als 80 Bürgerstiftungen in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen und Schleswig-Holstein – Kompetenzzentren für Gemeinschaft und Zusammenhalt –
schließen im Rahmen der Aktion ein Bündnis mit dem NDR für mehr gesellschaftliches Miteinander.
„Hand in Hand für Norddeutschland“ rückt das Thema Einsamkeit medial in den Fokus und ruft zum
Spenden für Projekte auf, die Teilhabe möglich machen. Die Benefizaktion startet am 2. Dezember
2024 in den Programmen des NDR und Radio Bremen, Höhepunkt ist der Spendentag am 13.
Dezember 2024.

Wir bieten in allen fünf norddeutschen Ländern Projekte gegen Einsamkeit. Die Projekte, die medial
in den Programmen des NDR und Radio Bremen vorgestellt werden, gehen in die Förderung. Darüber
hinaus entscheidet ein Vergabegremium über die Förderung der Angebote gegen Einsamkeit und für
mehr Teilhabe, die mit den generierten Spendengeldern gefördert werden.
Vorgeschlagene Projektbeispiele aus unserer Region sind z.B. unser BürgerGruß https://oldenburger-buergerstiftung.de/projekte/#buergergruss

weitere Links:
NDR-Berichterstattung

Spenden für „Hand in Hand“

Erinnerungszeichen – Stelen für die Familien Hattendorf und Kugelmann eingeweiht

Am 9. November 2024 haben wir zwei weitere Gedenkstelen zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verfolgung eingeweiht. Die Stelen, die an den ehemaligen Wohnhäusern der Familien Hattendorf und Kugelmann in der Bremer Straße 58 und der Cloppenburger Straße 2 stehen, erinnern an die tragischen Schicksale dieser Familien, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden.

Vor den offiziellen Einweihungen, die zusammen mit Mitgliedern des Bürgervereins Osternburgs stattfanden, fand ein Empfang im Rathaus statt. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann richtete das Wort an die Anwesenden und hob die Bedeutung der Erinnerungskultur hervor. Unser Vorstandsvorsitzender Dietmar Schütz berichtete über die Hintergründe des Projekts und beleuchtete die erschütternden Lebenswege der betroffenen Familien, mit seiner nachfolgenden Rede.

Rede von Herrn Diertmar Schütz

Es ist schon fast eine gute Tradition, dass wir uns am 9. November hier versammeln, um eine weitere Tranche unserer Erinnerungszeichen einzuweihen. Wir sind jetzt bei der 4. Tranche im vierten Jahr und werden dann, wenn wir vor Ort die jetzigen Erinnerungszeichen vollständig errichtet haben, dies an 37 Orten mit 90 einzelnen Erinnerungszeichen getan haben.

Diesmal haben wir keine Nachkommen der ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger eingeladen, weil die Familie, auf die wir uns konzentriert hatten, wegen der aktuell antisemitischen Vorfälle und Bedrohungen nicht nach vorne treten möchte. Ich habe dafür volles Verständnis!

Wir haben aber ja schon im vorigen Monat zusammen mit den Nachkommen der Familie Insel in der Roggemannstraße 25 das dortige Erinnerungszeichen eingeweiht und wir werden – das darf ich hier schon sagen – zusammen mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft die Erinnerungszeichen für die Familie de Beer hoffentlich mit eingeladenen Nachkommen der Familie einweihen. Die Stelen für diese aufzunehmenden Erinnerungszeichen stehen schon

in der Hermann Ehlers Straße für Julius de Beer und Albertine Vyth,
in der Ziegelhofstraße für Siegfried, Lisbeth und Klaus Josephs und
am Hochheider Weg, dem ehemaligen Grundstück der Wäscherei Rheingold der Familie de Beer, für Ilse Hirsch, geborene de Beer.

Diese drei Erinnerungsorte gehören schon zu denen unserer sog. 4. Tranche.

Wir werden in den nächsten Wochen, in Zusammenarbeit mit der Paulus Schule, die Erinnerungszeichen in der Margaretenstraße 26 und 37 einweihen.

In der Margaretenstraße 26 für Heinrich van der Walde. Heinrich van der Walde emigrierte im September 1935 von dort nach Amsterdam. Er wurde nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande in Amsterdam verhaftet und über das uns schon sehr bekannte Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert.
In der Margaretenstraße 37 für Hermann de Levie, seiner Ehefrau, Helena de Levie, geborene Josephs und deren Sohn Hans Ludwig de Levie. Die Familie de Levie floh nach Hertogenbosch in den Niederlanden und war ebenfalls nach dem deutschen Überfall über das Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert worden.
In der Ziegelhofstraße 87, schräg gegenüber dem Haus der Familie Josephs, wohnte die Familie Lazarus – Simon mit seiner Frau Margarethe, geb. de Taube, und den Kindern Irmgard und Kurt. Die Familie emigrierte nach Hoogeveen in den Niederlanden und wurde dort, wieder über das Lager Westerbork, diesmal Simon, Margarethe und Kurt nach Sobibór und Irmgard nach Auschwitz transportiert. Sie wurden alle samt ermordet.

Dies Erinnerungszeichen in der Ziegelhofstraße 87 werden wir in den nächsten beiden Monaten mit denen am Stau 87/91, deren Grundelemente jetzt auch schon stehen, einweihen.

Am Stau 87/91 wohnte die Familie Cohen – Heymann mit seiner Ehefrau, Hedwig, geb. Levi und ihren Kindern Melitta, später verheiratete Neugarten, und Inge, später verheiratete Parnes. Heymann und Hedwig Cohen wurden, nachdem sie nach Bremen verzogen waren, von dort 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Ihre Kinder Melitta und Inge erlitten dasselbe Schicksal, sie wurden ebenfalls 1941 nach Minsk deportiert und dort ermordet.

Ich habe bisher lediglich sehr kurz Namen und Schicksale derjenigen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger geschildert, deren wir noch ausführlicher bei den konkreten Einweihungen vor Ort gedenken wollen. Heute wenden wir uns ausführlicher den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Osternburg zu, wobei Julius de Beer und Albertine Vyth in der Hermann-Ehlers-Straße mit den schon dargelegten Argumenten später gewürdigt werden. Und schließlich haben wir uns schon in der 2. Tranche in Osternburg mit der Familie Gerson/Cohen in der Bremer Straße 32 beschäftigt. Dort waren die Nachkommen der Familie Gerson aus Israel überzeugend vertreten. Wir haben auch in der Osternburger Nordstraße 2 die Stele für Siegfried Weinberg aufgestellt. Und wenn man es genauer will – der äußere Damm mit der Werkstatt von Franz Reyersbach gehörte auch zu Osternburg und auch die Familie Lazarus am Damm 30, wo ebenfalls schon eine Stele steht. Wir setzen genau genommen die Osternburger Reihe fort und ich begrüße es, dass heute einige Vertreter des Bürgervereins Osternburg unter uns sind und wir gleich mit Ihnen zu den jetzigen Erinnerungsorten fahren werden.

Heute gedenken wir der Familie Hattendorf in der Bremer Straße 58 und dem Osterburger Zweig der eigentlich Wardenburger Familie Kugelmann.

In dem Haus der Familie Hattendorf in der Bremer Straße 58 wohnte der Schlachter Moritz Hattendorf mit seiner Frau Nanny, geborene Lomnitz, und vier Töchter. Die Eltern von Nanny Hattendorff, Karoline und Menke Lomnitz waren in Bischhausen/Oberhessen eine nach der Händlerliste von 1786 ausgewiesene alteingesessene jüdische Familie, deren Wohlstand sich auf Viehhandel und einer Schlachterei gründete. Ich kann nicht vollständig nachvollziehen, wie und wo die hessische Nanny Lomnitz den Osternburger Moritz Hattendorf kennenlernte. Sie heirateten Ende des 19. Jahrhunderts und bekamen im Abstand von zwei Jahren die Töchter Ella (24.04.1896), Grete 16.07.1898, Frieda (27.04.1900) und Emma (20.03.1902). Die Töchter, außer Ella, heirateten und verließen in den 1920er- und 1930er-Jahren Oldenburg: Gretchen ging 1915 nach Hannover und später nach Hamburg, Emma, die als Verkäuferin gearbeitet hatte, 1923 nach Hildesheim, Frieda, ebenfalls Verkäuferin, 1934 nach Berlin. Der Vater Moritz Hattendorf starb am 11.Oktober 1936 in Oldenburg.  Mutter Nanny blieb zusammen mit ihrer ältesten Tochter in dem Oldenburger Haus mit Garten wohnen. Tochter Ella hatte eine höhere Töchterschule (Cäcilienschule) besucht und arbeitete bis August 1936 als Kontoristin bei der Lackfabrik Lefeber in Oldenburg, danach in anderen Beschäftigungsverhältnissen. Laut Aussage ihrer Schwester Emma im Wiedergutmachungsverfahren wurde ihr „aus rassischen Gründen“ bei der Lackfabrik gekündigt. Die Aussage des Fabrikbesitzers in dem Verfahren lautet dagegen: „… gab ihre Tätigkeit auf eigenen Wunsch auf“. Im April 1940 musste Nanny Hattendorf zusammen mit Ella „aus Verfolgungsgründen“ – wie ihre überlebende Tochter Emma berichtete – nach Hamburg verziehen. Der Grund für den Wegzug waren möglicherweise die Berichte der ostfriesischen Landräte, das Ostfriesland „judenfrei“ sei, was Emma und ihre Familie offensichtlich auch für Osternburg befürchtete. In Hamburg wohnte auch die inzwischen geschiedene Tochter Grete, die als Hausangestellte bei dem Buchhändler Hugo Friedemann arbeitete. Nach mehreren Umzügen bis zur Isestraße 69, wo für Ella Hattendorf auch ein Stolperstein verlegt wurde, trennten sich die Wege von Mutter und Töchter. Ella wurde am 6. Dezember 1941 nach Riga, Jungfernhof deportiert. Die Mutter Nanny wurde wegen ihres Alters zunächst von den Transporten ausgenommen. Sie sollte in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert werden, was später auch geschah. Mit 78 Jahren wurde sie am 15. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 21. September nach Treblinka, wo sie ermordet wurde. Ihre Tochter Grete folgte der Mutter 4 Tage später nach Theresienstadt. Zwei Jahre später wurde sie am 15. Mai 1944 nach Ausschwitz verbracht und dort ermordet. Ihre Tochter Frieda wurde am 20. Juli 1942 zusammen mit ihrem Mann Emil Mayer von Köln nach Minsk deportiert und dort ermordet. Nur der jüngsten Tochter Emma gelang im März 1939 zusammen mit ihrem Mann Karl Weinberg, der als selbstständiger Hausmakler in Hamburg gearbeitet hatte, einer sechsjährigen Tochter und dem einjährigen Sohn noch rechtzeitig die Flucht nach Bolivien. Sie stellte seit 1956 Wiedergutmachungsanträge als Erbin ihrer Mutter und ihrer Schwestern, die erst in den 1970er-Jahren endgültig beschieden wurden. Immerhin erhielt sie aus Deutschland eine kleine „Berufsschadensrente“.

Moritz Hattendorf – der ja, wie ich berichtet habe, schon 1936 eines natürlichen Todes gestorben war – war der Cousin von Friderieke Kugelmann, geborene Hattendorf, verheiratet mit Daniel Kugelmann. Die beiden waren die Eltern von Semmi Kugelmann, also dem Osternburger Zweig der Wardenburger Kugelmanns. Die spannende und leidvolle Geschichte der Kugelmanns wird uns Dr. Werner Meiners darstellen, den ich dafür herzlich danke. Zur Familie Kugelmann habe ich selbst eine besondere Beziehung und ein besonderes Interesse. Wie einige möglicherweise wissen, komme ich aus Wardenburg. Meine Mutter – Jahrgang 1913 – hat dort die Volksschule besucht. Auf Klassenfotos sitzt Selma Kugelmann neben meiner Mutter und auch auf den Fotos des Sportvereins findet man sie gemeinsam. Sie waren Klassenkameradinnen und miteinander befreundet. Nachdem der Wardenburger Arthur Bremer Selma Meyerstein, geborene Kugelmann, in New York besuchte, begann Selma alljährlich mindestens zu Weihnachten einen Grußwechsel mit meiner Mutter, die darauf auch antwortete. Inhaltlich allerdings wurde nichts ausgetauscht. Später, noch zur Zeit des Grußwechsels, war ich als Mitglied der deutschen Law-of-the-sea-conference-Delegation halbjährlich in New York. Ich hatte die Adresse von Selma Meyerstein und wollte sie dort aufsuchen. Ich habe es zweimal wegen kollidierender Termine versäumt und bedauere dies sehr. Meine genaueren Kenntnisse zu Familie Kugelmann hatte ich alle aus dem sehr kenntnisreichen und engagierten Buch „Unsere jüdischen Nachbarn – Wege und Stationen der Familie Kugelmann aus Wardenburg“ bezogen. Deshalb freue ich mich sehr auf den Vortrag von Dr. Werner Meiners, mit dem Fokus allerdings diesmal stärker auf den Osterburger Zweig der Kugelmanns.

Herzlichen Dank!

Einweihung Cloppenburger Straße 2 für Familie Kugelmann

Einweihung Bremer Straße 58 für Familie Hattendorf

 

Und noch eine Einweihung: Zusatzschild für die Geschwister Scholl

Es ist zu einer schönen Tradition geworden: Mit Zusatzplaketten unter den Straßennamensschildern erinnern wir an die Persönlichkeiten, nach denen Straßen benannt wurden, und geben Einblicke in ihr Leben. So wurde am 25. Oktober 2024 das Zusatzschild für die Geschwister Scholl, dessen Name eine kleine Straße im Stadtteil Bloherfelde trägt, eingeweiht.

Auch wenn die Geschwister Scholl keinen direkten Bezug zu Oldenburg haben – eigentlich eine Voraussetzung für unsere Zusatzschilder – ist ihr Vermächtnis heute von erschreckender Aktualität. Ihr mutiger Widerstand gegen das NS-Regime bleibt ein leuchtendes Beispiel für Zivilcourage und Menschlichkeit.

Gestiftet wurde das Zusatzschild von Johannes Bartner und Juliane Baez, Mitgliedern der Weiße Rose Stiftung. Bewegend waren die Worte von Juliane Baez, die als Großcousine von Willi Graf – ebenfalls Mitglied der studentischen Widerstandsgruppe Weiße Rose, der am 12. Oktober 1943 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde – Einblicke in die Lebensgeschichten der Geschwister Scholl geben konnte.

Zu den Anwesenden zählte auch Thomas Kossendey, ehemaliger Bundestagsabgeordneter und früherer Präsident der Oldenburgischen Landschaft. Gemeinsam würdigten die Teilnehmenden den Mut und die Entschlossenheit der Geschwister Scholl, deren Einsatz für Freiheit und Menschlichkeit bis heute eine starke Botschaft sendet.

Ein herzlicher Dank gilt allen, die diese besondere Einweihung ermöglicht haben. Die Zusatzplakette ist ein wichtiges Zeichen der Erinnerung – und ein Mahnmal für den Mut, für das Richtige einzutreten.

Mehr zu den Geschwistern Scholl und weiteren Namensgeber Oldenburger Straßen finden Sie hier.

Einweihung für Joseph Bernhard Winck

Am 25. Oktober 2024 fand in einer kleinen, aber herzlichen Runde die feierliche Einweihung des Projekts Bildung im Vorübergehen für Joseph Bernhard Winck statt. Gemeinsam mit Anwohnerinnen und Anwohnern erinnerten wir an das Leben und Wirken dieses bemerkenswerten Menschen.

Unser Vorstandsvorsitzender, Dietmar Schütz, führte die Gäste mit einer informativen Schilderung durch die Lebensgeschichte von Joseph Bernhard Winck. Bei Sonnenschein mit Kaffee und Keksen, tauschten wir uns aus und würdigten den Beitrag Wincks zur Oldenburger Geschichte.

Das Projekt zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Erinnerungskultur lebendig zu halten – und dass Bildung tatsächlich im Vorübergehen gelingen kann.

Herzlichen Dank an alle, die dabei waren und diesen Moment mit uns geteilt haben!

Mehr zu Joseph Bernhard Winck und weiteren Namensgeber Oldenburger Straßen finden Sie hier.

Empfang im Rathaus für die Nachfahren der Familie Insel und feierliche Einweihung der Erinnerungszeichen

Erinnerungszeichen für die Familie Insel

Am 24. September 2024 fand im Rathaus ein besonderer Empfang für die Nachfahren der Familie Insel statt, die eigens aus Israel und den USA angereist waren. Anlass war die feierliche Einweihung der Erinnerungszeichen für Siegfried, Henny, Grete und Hermann Insel vor ihrem ehemaligen Wohnhaus in der Roggemannstraße 25. Die Erinnerungszeichen am Haus sollen künftig an das Leben und das Schicksal der Familie Insel erinnern, die in Oldenburg einst fest verwurzelt war und deren Geschichte durch die nationalsozialistische Verfolgung tragisch endete. In einer feierlichen Zeremonie übergab die Stadt zudem Objekte aus dem ehemaligen Besitz der Familie Insel an ihre Nachfahren. Hierzu finden Sie weitere Informationen unter https://www.stadtmuseum-oldenburg.de/museum/sammlung-forschung/provenienzforschung/familie-insel.

Unser Vorstandsvorsitzender würdigte in seiner Rede die Bedeutung der Erinnerungszeichen und hob hervor, wie wichtig es ist, das Gedenken an die Familie Insel und ihre Geschichte auch für zukünftige Generationen lebendig zu halten.

Speech from Dietmar Schütz click here

Rede von Dietmar Schütz:

Die Oldenburger Bürgerstiftung wird in diesem Jahr mit ihrer 4. Tranche an 37 Orten 90 Erinnerungszeichen errichtet haben. Wir weichen mit unserer Erinnerung an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger durch Stelen und Tafeln von der vieler Städte ab. Die meisten Städte in Deutschland und immer mehr auch in ganz Europa folgen dem Projekt von Gunter Demnig, der etwa seit 1992 mit sog. Stolpersteinen auf dem Boden vor den Wohnungen der ermordeten und vertriebenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger an diese erinnern wollte.

Viele von Ihnen hier im Saale wissen, dass die jüdische Gemeinde unter dem damaligen Vorsitz von Sarah Ruth Schumann genauso wie die jüdische Gemeinde in München mit Charlotte Knobloch im Vorsitz diese Art Erinnerung ablehnten. Sie wollten die Namen der Opfer nicht den Tritten und den Verunreinigungen der Straße aussetzen. Man mag diese Auffassung teilen oder nicht teilen – ich selbst halte die Aktion von Demnig mit ihren europaweiten Erfolgen der Etablierung einer individualisierten Erinnerungskultur durchaus für gelungen. Gleichwohl haben wir die Bedenken der jüdischen Gemeinde in Oldenburg und München ernst zu nehmen. Wir haben deshalb als Bürgerstiftung in Absprache mit der Stadt Oldenburg „auf Augenhöhe“ unsere Erinnerungszeichen angebracht, um auch so in Oldenburg eine individualisierte Erinnerung an alle ermordeten Jüdinnen und Juden zu etablieren. Die begrüßenswerte Errichtung einer Tafel an der Peterstraße mit den Namen aller ermordeten und vertriebenen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger erfüllte allerdings nicht den Zweck eines individualisierten Gedenkens am Ort ihres Lebens hier in Oldenburg, zumal auch einige Adressen nicht die Wohnungs- sondern die Deportationsadressen sind. Von dort begann meistens ihr Weg in die Vernichtungslager.

Deshalb errichten wir jetzt individuell vor den Wohnhäusern mit der längeren Geschichte der „unter uns Lebenden“ die Erinnerungszeichen auf Augenhöhe. Wir tun dies als Bürgerstiftung mit der finanziellen Unterstützung vieler Bürgerinnen und Bürger und nicht aus den Haushaltsmitteln der Stadt – um so jedes Mal die besondere Wahrnehmung und Erinnerung unserer Bürgerinnen und Bürger an ihre jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wach zu halten. Vor allem tun wir dies aber in Oldenburg, weil wir die besondere Verantwortung aus unserer Geschichte des Landes Oldenburg wahrnehmen, in dem als erstes Reichsland des Deutschen Reiches schon 1932 eine absolute Mehrheit an Sitzen im Landtag der NSDAP, also den Nazis, durchgesetzt wurde.

 

Meine Damen und Herren,

heute sind wir hier versammelt, um den Nachkommen der Familie Insel aus der Roggemannstraße 25 Erinnerungsgegenstände ihrer Familie zurückzugeben – dazu wird Frau Stührholdt gleich das Wort ergreifen – und um nachher Erinnerungszeichen am Haus der ehemaligen Wohnung der Familie Insel anzubringen.

Ich möchte Ihnen die Familie Insel aus der Roggemann Straße 25 und deren Schicksal kurz vorstellen.

Siegfried und Henny Insel wohnten von April 1911 bis zum August 1936 – also 25 Jahre in der Roggemannstraße 25. Dies war also der Lebensmittelpunkt mit ihrer längsten Verweildauer unter den Bürgern der Stadt Oldenburg.  – Sie wissen, was dies bedeutet! Sie haben Kontakt mit ihren Nachbarn, eingebettet in die sehr schöne Umgebung des Cäcilienplatzes, des Schlossgartens und des Eversten Holzes. Sie kennen die Kaufleute, bei denen sie einkaufen. Ihre Kinder gehen hier zur Schule.

Siegfried Insel wurde am 29. März 1859 in Berne, in der Wesermarsch, geboren. Er machte eine Ausbildung als Kaufmann und zog erst am 19.6.1903 von Berne nach Oldenburg. Zu dieser Zeit war er schon mit Henny verheiratet (geb. Rosenberg 1873 in Hameln). Ihre Tochter Grete war noch am 19. Januar 1903 in Berne geboren. Sie kam dann im Juni 1903 als Baby mit nach Oldenburg. Ihre erste Wohnung bezogen die Insels in der Langen Straße 57. (Heute das Geschäft der Buchhandlung Bültmann & Gerriets oder Wenner). Dort wurde auch Hermann Insel am 24.6.1910 geboren. In diesem Haus gründete Siegfried Insel ein Geschäft für Herren- und Damenbekleidung. 1911 zogen die Insels dann in die Roggemannstraße 25 um, wo sie dann eben über 25 Jahre wohnten. Das Bekleidungsgeschäft in der Langen Straße gab Siegfried Insel 1914 – im Jahr des Beginns des 1.Weltkriegs – auf und wechselte in die Versicherungsbranche. Er baute eine eigene Agentur auf und vertrat von 1924 bis 1933 die Rhein-Mosel-Versicherung als Hauptagent in Oldenburg. 1934 verlor er diese Vertretung, war aber noch bis 1935 im Handelsregister als Kaufmann eingetragen.

Die zunehmende Diskriminierung und die damit einhergehende wirtschaftliche Not veranlasste die Familie am 1.9.1936 eine kleine Wohnung in der hannoverschen Hertzstraße 5 zu nehmen. Die beiden Kinder, Grete und Hermann, waren schon früher ausgezogen. Hermann wechselte 1929 nach Hamburg und emigrierte schon im September 1933 nach Amsterdam. Grete, die den Beruf der Stenotypistin erlernt hatte, zog 1934 nach Lüneburg. Dann aber war sie wieder 1936 mit den Eltern vereint in der Holzstraße 5 in Hannover.

Anfang 1939 – noch vor Kriegsbeginn – emigrierte die übrige Familie – Hermann war ja schon seit 1933 in Amsterdam – nach Holland. Zuletzt waren alle in Amsterdam. Die Eltern wohnten in der Marnixstraat 74 in Amsterdam.

Mit dem Überfall der Niederlande am 10.5.1940 durch die deutschen Truppen wurde das Leben auch in Holland prekär und gefährlich. Die beiden Kinder wurden im Juli 1942 verhaftet und vom Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert. Grete war schon im ersten Transport am 15.7.1942 von Westerbork nach Auschwitz dabei und wurde dort am 18.8.1942 ermordet. Hermann war im zweiten Transport und kam am 17.7.1942 in Ausschwitz an. Er wurde am 21.8.1942 ermordet. Die Eltern, Siegfried und Henny, wurden ein Jahr später auch über das Lager Westerbork am 25.5.1943 deportiert – dieses Mal aber nach Sobibor. Beide wurden dort am 28.5.1943 ermordet.

Es fällt mir schwer, diese nackten und erschütternden Daten vorzutragen. Sie offenbaren einen unbedingten und brutalen Vernichtungswillen der deutschen Nazischergen.

Viele Oldenburger Juden hatten ein ähnliches Schicksal! Die zuerst gelungene Flucht in das Nachbarland wurde nach der Besetzung der Niederlande mit Inhaftierung in das Lager Westerbork beendet und mündete in den osteuropäischen Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau oder Sobibor. Das Durchgangslager Westerbork war das alle verbindende traurige Band der in die Niederlande geflüchteten Oldenburger Juden. Die damalige niederländische Regierung hatte vor dem Krieg – vorgeblich um die Freundschaft zu Deutschland zu bewahren und zu beweisen – am 15. Dezember 1938 für Flüchtlinge die Grenzen geschlossen und stempelte sie zu unerwünschten Ausländer, die in Zentrallagern wie Westerbork aufgefangen wurden. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurde aus dem Internierungslager das in die KZs führende „Polizeiliche Judendurchgangslager Kamp Westerbork“ unter direkter deutscher Verwaltung. Von hier gab es ein Anschlussgleis an die Bahnstrecke Meppel-Groningen. Jeden Dienstag fuhr ein Zug aus Westerbork mit einer großen Anzahl Häftlingen über Assen, Groningen und den Grenzbahnhof Nieuweschans – in unserer weiteren Nachbarschaft – „nach Osten“ in die erwähnten KZs. Die von der Deutschen Reichsbahn organisierte Fahrt dauerte ungefähr drei Tage.

Insgesamt wurden von 1942-1944 mehr als 107.000 Juden aus Westerbork per Zug deportiert, darunter auch Anne Frank. Nur 5000 von Ihnen überlebten und konnten zurückkehren. Die vier Mitglieder der Familie Insel waren nicht dabei.“