Die Stadt Oldenburg hat im Gegensatz zu vielen anderen Städten Deutschlands auf die Installation von sogenannten „Stolpersteinen“ an den letzten Wohnorten der in der NS-Zeit verfolgten ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verzichtet. Dies geschah vor allem aus Rücksicht auf die jüdische Gemeinde in Oldenburg, die ein Betreten und Verschmutzen der in den Gehweg eingelassenen Steine ablehnt. Diese Position hat die jüdische Gemeinde nach internen Diskussionen immer aufrechterhalten und teilt sie noch heute.
München hat in der Erinnerungskultur einen eigenen Weg beschritten: An jenen Orten, an denen Menschen lebten und wirkten, die von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden, werden seit 2018 Erinnerungszeichen auf Augenhöhe angebracht. Entworfen wurden die Erinnerungszeichen von stauss processform GmbH, Prof. Kilian Stauss. Es gibt sie in zwei Ausführungen: als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Sie enthalten die wichtigsten Lebensdaten, Angaben zum Schicksal und – falls vorhanden – auch Bilder.
In Oldenburg haben wir initiiert, dass ebenfalls auf die Erinnerungszeichen als Form des Gedenkens an die Opfer der NS-Verbrechen gesetzt wird. Nach unserer Kontaktaufnahme mit den zuständigen Stellen in München haben Oberbürgermeister Dieter Reiter und Oberbürgermeister Jürgen Krogmann vereinbart, die in München etablierten Erinnerungszeichen auch in Oldenburg zu installieren. Oldenburg ist damit nach München und Ingolstadt die dritte Stadt, in der Erinnerungszeichen installiert werden.
Die Erinnerungszeichen errichten wir mit der Stadt und in enger Zusammenarbeit mit Werkstattfilm. Wir werden mit Unterstützung der Oldenburger Bürgerinnen und Bürger die Anfertigung der Erinnerungszeichen finanzieren, während die Stadt die Aufstellung und Anbringung übernimmt und für den Erhalt der Erinnerungszeichen sorgt.
Wenn Sie uns bei der weiteren Umsetzung des Projekts unterstüzen möchten, freuen wir uns über jede Spende mit dem Vermerk „Erinnerungszeichen“.
Unterstützt werden wir von:
Koordinierungsstelle | Erinnerungszeichen
der Stadt München
Gefördert durch:
Für die nachstehenden Opfer wurden bereits Erinnerungszeichen initiiert
Achternstraße 10
Einweihung folgt für
- Emma Cronheim
Achternstraße 33
Einweihung folgt für
- Ella Seligmann
Achternstraße 38 – Hier lebte:
- Lion Bukofzer
Achternstraße 46
Einweihung folgt für
- Anna Polak
- Eva Trommer
Achternstraße 48 – Hier wirkte:
- Alex Goldschmidt
Bremer Straße 32 – Hier lebte:
- Klara Cohen
- Philipp Cohen
- Lilli Gerson
- Georg Gerson
- Paul Gerson
- Levie Weinberg
- Bertha Behr geb. Weinberg
Damm 2
Einweihung am 07.12.2022
- Franz Reyersbach
Damm 30
Einweihung am 07.12.2022
- Gerta Lazarus
- Ilse Lazarus
- Alex Goldschmidt
- Toni Goldschmidt geb. Behrens
- Klaus Helmut Goldschmidt
- Eva Auguste Goldschmidt
Heiligengeiststraße 30
Einweihung folgt für
- Bruno Wallheimer
- Gertrud Grünberg geb. Sachs
- Berta Berlowitz geb. Grünberg
- Eva Abramowitsch
- Sascha Abramowitsch
Kurwickstraße 33 – Hier lebte:
- Julius Parnes
- Max Parnes
- Regina Parnes
Lange Straße 53
Einweihung folgt für
- Johanna Mayer
- Elias Mayer
Schüttingstraße 7 – Hier wirkte:
- Moritz Landsberg
- Walter Landsberg
- Ludwig Landsberg
Schüttingstraße 20
Einweihung folgt für
- Leopold Liepmann
- Erna Liepmann
Achternstraße 38
Lion Bukofzer
Lion Bukofzer wurde am 10.12.1876 in Berlin geboren. Er zog 1904 nach Oldenburg, heiratete Elli Schulmann und führte fortan das Geschäft Fa. M. Schulmann in der Achternstraße 38. Sie wohnten auch unter der Anschrift und hatten zwei Kinder. Tochter Ilse und Sohn Manfred überlebten die Shoa. Von 1912 bis 1930 war Lion Bukofzer Mitglied des Stadtrats. Im Februar 1935 verstarb Elli Bukofzer. Lion Bukofzer zog im Mai 1935 nach Berlin. Von dort wurde er am 10.07.1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 30.10.1944 kam er im KZ Auschwitz an, wo er umkam. Das Todesdatum ist nicht bekannt.
Achternstraße 46
Anna Polak
Eva Trommer
Einweihung folgt
Brüderstraße 30
Levie Weinberg
Bertha Behr geb. Weinberg
Levie Weinberg wurde am 10.05.1867 in Leer (Ostfriesl.) geboren. Er war Viehhändler und lebte von Mai 1904 bis Januar 1935 in der Brüderstraße 30. Seine Frau Amalie geb. Lenneberg erkrankte schwer und verstarb 1934. Sie hatten 7 Kinder. Der erstgeborene Sohn Alfred verstarb infolge einer Verwundung, die er sich als Soldat im Ersten Weltkreig zuzog. Die Söhne Max, Werner und Richard sowie die Töchter Elisabeth und Paula überlebten die Shoa. 1935 musste Levie Weinberg seinen Viehhandel aufgrund des Boykotts jüdischer Geschäfte schließen. Er zog mit seiner Tochter Bertha nach Bremen. Bertha heiratete am 10.01.1941 den geschiedenen Vieh- und Pferdehändler Leopold Behr, geb. 1880 in Bremen. Leopold Behr verstarb im Juni 1942. Einen Monat später, am 23.07.1942, wurden Levie Weinberg und seine nun verwitwete Tochter Bertha Behr nach Theresienstadt deportiert. Levie Weinberg verstarb dort am 28.05.1944 an Auszehrung. Wenige Tage zuvor, am 15.05.1944, war seine Tochter Bertha von Theresienstadt nach Auschwitz überstellt worden, wo sie ermordet wurde. Das Todesdatum ist nicht bekannt.
Gartenstraße 34
Alex Goldschmidt
Toni Goldschmidt geb. Behrens
Eva Auguste Goldschmidt
Klaus Helmut Goldschmidt
Alex Goldschmidt wurde am 01.01.1879 in Sachsenhagen (Schaumburg-Lippe) geboren. Er wurde Textilkaufmann und zog im Jahr 1906 nach Oldenburg. 1908 heiratete er die am 07.09.1887 in Bremen geborene Toni Behrens. Sie bekamen 4 Kinder. Das Haus Achternstraße 48 erwarb Alex Goldschmidt 1911. Er eröffnete das „Haus der Mode“ und lebte mit der Familie im Obergeschoss. Das Geschäft lief sehr erfolgreich und so wurde 1919 das Haus Gartenstraße 34 gekauft, in dem die Familie fortan lebte. Durch den Boykott der jüdischen Geschäfte, wurde Alex Goldschmidt gezwungen 1933 das Haus in der Gartenstraße sowie 1934 das Geschäft in der Achternstraße zu verkaufen.
Die erstgeborene Tochter Bertha (geb. 29.10.1909) konnte 1939 nach England emigrieren. Auch der erstgeborene Sohn Günther (geb. 17.11.1913) überlebte die Shoa. Der Flötist und seine Frau Rosemarie bekamen ein Visum und flohen 1941 nach Amerika.
Alex Goldschmidt und sein jüngster Sohn Klaus Helmut (geb. 14.09.1921) befanden sich im Mai 1939 auf einem Schiff mit dem Ziel Kuba. Kuba erklärte die Einreisedokumente jedoch für ungültig und auch die USA lehnten eine Aufnahme ab. So musste das Schiff nach Europa umkehren und Alex und sein Sohn Klaus Helmut flohen im Juni, nach ihrer Ankunft in Antwerpen, nach Frankreich. Nach Kriegsbeginn wurden sie dort in verschiedenen Lagern interniert, u.a. Rivesaltes und Les Milles. Am 11.08.1942 deportierte man sie von Les Milles ins Sammellager in Drancy bei Paris, wo sie am 12.08.1942 ankamen. Zwei Tage später überführte man sie ins KZ Auschwitz, wo sie am 18.08.1942 ankamen. Am 09.10.1942 wurde Klaus Helmut ermordet. Das Todesdatum von Alex Goldschmidt ist nicht bekannt.
Auch Toni Goldschmidt und ihre Tochter Eva Auguste (geb. 29.06.1920) überlebten die Shoa nicht. Beide lebten ab März 1940 in Berlin. Im Oktober 1942 transportierte man sie ins Ghetto Riga, wo sie umkamen. Ihre Todesdaten sind nicht bekannt.
Kurwickstraße 5
Gertrud Grünberg
Berta Berlowitz geb. Grünberg
Das Haus der Familie Grünberg an der Kurwickstraße 5 wurde nach 1933 Zufluchtsort von bis zu 50 jüdischen Menschen, die nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten ihre Wohnungen an anderen Orten in Oldenburg verloren. 1939 war die Kurwickstraße 5 auch Sitz der jüdischen Schule, nachdem deren Gebäude neben der Synagoge an der Peterstraße in der Reichsprogromnacht niedergebrannt wurde.
Der Kaufmann Meier Leib Grünberg war in erster Ehe mit Regina Grünberg geb. Unger verheiratet. Die ostjüdische Familie floh vor dem Ersten Weltkrieg vor Antisemitismus und Armut und lebte seit 1915 mit ihren 6 Kindern in Oldenburg. Seit 1917 lebten Sie dann in die Kurwickstraße 5. 1923 verstarb Regina Grünberg im Alter von 50 Jahren. In zweiter Ehe heiratete Meier Leib Grünberg die 1925 von Charlottenburg nach Oldenburg zugezogene kinderlose Gertrud Grünberg verw. Landsberger geb. Sachs. Sie wurde am 15.12.1874 in Kattowitz geboren und führte bis 1936 die Fa. Gertrud Grünberg (Konfektion und alte Möbel) in der Kurwickstraße 5. 4 Kinder (Abraham, Regina, Paul und Max) überlebten die Shoa. Die Tochter Eva (verh. Abramowitsch) lebte bis 1932 in Oldenburg. Sie wurde nach Riga deportiert und später für tot erklärt. Die Tochter Berta geb. am 16.05.1896 heiratete 1919 Max Berlowitz. Die Ehe wurde später geschieden. Der 1920 geborene Sohn Gustav floh 1934 nach Nordamerika. Berta Berlowitz zog 1936 wieder in die Kurwickstraße 5. 1940 flüchtete sie nach Berlin, von wo aus sie am 13.01.1942 nach Riga deportiert wurde. Sie verstarb wie ihre Schwester in Riga. Ihr Todesdatum ist ebenfalls nicht bekannt. Meier Leib Grünberg wurde bereits am 28.10.1938 von den deutschen Behörden nach Polen abgeschoben. Über seinen weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Gertrud Grünberg lebte seit 1936 in Berlin. Von dort wurde Sie jedoch am 05.08.1942 nach Theresienstadt deportiert und am 18.12.1943 nach Auschwitz überführt. Das Datum ihrer Ermordung in diesem Vernichtungslager ist nicht dokumentiert.
Die Mitglieder der Familie Grünberg erhielten nie einen deutschen Pass, obwohl sie länger als 20 Jahre in Oldenburg lebten.
Kurwickstraße 33
Max Parnes
Julius Parnes
Regina Parnes
Die ostjüdische Familie Parnes, die unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg vor Antisemitismus und Armut floh, lebte seit April 1913 in der Kurwickstraße 33 in Oldenburg. Samuel Parnes (geb. 04.04.1887) und seine Frau Bertha geb. Unger (geb. 04.07.1891) eröffneten unter der Anschrift im selben Jahr ein Konfektions- und Schuhwarengeschäft. Sie hatten 5 Kinder. Die Eltern Samuel und Bertha wurden mit ihrer jüngsten Tochter Klara (geb. 25.08.1926) bereits am 28.10.1938 von den deutschen Behörden nach Polen abgeschoben. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Die Kinder Max (geb. 20.11.1910), Julius (geb. 06.01.1913), Regina (geb. 09.02.1917) und Gisela (geb. 05.12.1921) sollten ebenfalls am 28.10.1938 nach Polen abgeschoben werden. Sie besaßen jedoch keine gültigen polnischen Reisepässe und konnten auf legalem Weg nicht nach Polen überführt werden. Gisela konnte im Dezember 1938 mit einem Kindertransport nach England emigrieren. Die Vorbereitungen für eine Abschiebung der anderen Kinder waren 1939 weit vorangeschritten, der Kriegsausbruch verhinderte jedoch die Emigration nach England. Max und Julius, dessen Frau Inge geb. Cohen (geb. 26.04.1921) sowie Regina lebten ab 1940 in Bremen, nachdem alle Juden Oldenburg verlassen mussten. Am 18.11.1941 wurden Sie nach Minsk deportiert, wo sie alle am 28.07.1942 ermordet wurden.
Schüttingstraße 7
Moitz Landsberg
Walter Landsberg
Moritz Landsberg wurde am 13.02.1856 in Oldenburg geboren. Er war Großherzoglicher Hofantiquar und Inhaber der Fa. S. L. Landsberg OHG, Buch- und Kunsthandlung. Mit seiner Frau Flora Landsberg geb. Cohn hatte er 5 Kinder. Flora Landsberg verstarb am 07.05.1926 im Alter von 62 Jahren. Die erstgeborenen Söhne Otto und Walter wurden ebenfalls Buchhändler und arbeiteten im Familienunternehmen mit. Otto Landsberg (geb. 11.07.1891) konnte mit seiner Frau Martha 1939 nach England emigrieren, wohin die zwei gemeinsamen Kinder Ursula und Hans im Dezember 1938 durch einen Kindertransport gebracht wurden. Walter Landsberg (geb. 13.9.1892), der bis 1938 in der Schüttingstraße 7 lebte, emigrierte nach Frankreich. Am 06.02.1944 wurde er ins Sammellager Drancy deportiert. Nur wenige Tage später, am 10.02.1944 wurde er nach Auschwitz überführt, wo er umkam. Das Todesdatum ist nicht bekannt. Seine Frau Sabine geb. Schlesinger gelang 1939 die Flucht nach Palästina. Der dritte Sohn von Moritz und Flora Landsberg, Ludwig Landsberg (geb. 14.11.1893), wurde ebenfalls Buchhändler. Er zog im Juni 1919 nach Hannover. Am 19.12.1944 kam er im KZ Dachau/Außenlager Kaufering um. Kurt Landsberg (geb. 05.05.1896) war das vierte Kind. Er zog 1928 nach Saarbrücken und emigrierte 1936 nach Frankreich. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Das fünfte Kind und die einzige Tochter Anna Landsberg (geb. 17.02.1900) heiratete und zog nach Hamburg. Es wird davon ausgegangen, dass sie später in Mexiko lebte. 1940, als alle Juden Oldenburg verlassen musten, zog Vater Moritz Landsberg im Mai nach Hamburg. Am 22.11.1940 begann er Suizid.
Quellen der Bilder von den ehemaligen judischen Mitbürgerinnen und Mitbürger: Stadtarchiv Oldenburg, Oldenburger Medienarchiv bzw. Oldenburger Stadtmuseum
Quellen Text: Erinnerungsbuch – Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Judenverfolgung betroffenen Einwohner der Stadt Oldenburg 1933 – 1945
Informationen über die Erinnerungszeichen in München finden Sie unter www.erinnerungszeichen.de