Einweihung am Tag des Gedenkens 27.01.2024

Am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus (sog. Auschwitztag) haben wir weitere Erinnerugszeichen eingeweiht. Mit diesen Erinnerungszeichen gedenken wir an die ermordeten ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger

Karolina Katz (Bismarkstraße 25)

Norman, Grete, Lea und Manfred Hesse (Gottorpstraße 15a)

Alexander und Emma Hirschfeld (Kaiserstraße 7)

 Gutta und Carla Meyerhoff (Wilhelmstraße 30)

Erinnerungszeichen Karolina Katz – Bild: Hauke-Christian Dittrich

Danke für die vielfältige Unterstützung in 2023!

Jüdisches Leben zurück in die Stadt holen

Pressemitteilung der Stadt Oldenburg vom 09.11.2023:

In der Stadt Oldenburg werden seit 2021 an jenen Orten, an denen von den Nationalsozialisten verfolgte und ermordete jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger lebten und wirkten, Erinnerungszeichen „auf Augenhöhe“ angebracht – als Wandtafeln an der Fassade und als Stelen auf öffentlichem Grund. Die Erinnerungszeichen errichtet die Oldenburger Bürgerstiftung gemeinsam mit der Stadt Oldenburg und in Zusammenarbeit mit dem Verein Werkstattfilm. Zwischen dem 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, und dem 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, werden in den nächsten Monaten weitere Erinnerungszeichen im Stadtgebiet installiert. Zum Auftakt wurde mit einer Gedenkveranstaltung im Alten Rathaus, die musikalisch vom „Duo Sempre“ untermalt wurde, an das Schicksal des Oldenburger Kaufmanns Siegfried Samuel Weinberg erinnert, der 1943 im Vernichtungslager Sobibór (Polen) gestorben ist.

Holocaust-Erinnerung hat neue Bedeutung
Oberbürgermeister Jürgen Krogmann betonte in seiner Ansprache, dass die Erinnerung an den Holocaust nach dem barbarischen Großangriff der Hamas auf Israel eine neue Bedeutung gewonnen habe. Krogmann ging dabei auch auf die Lage in Oldenburgs israelischer Partnerkommune Mateh Asher ein: „Es ist schwer zu ertragen, dass Menschen, die wir seit Jahren kennen und mit denen uns Freundschaften verbinden, in Gefahr sind.“ Teile von Mateh Asher seien von Raketen getroffen, acht Gemeinden nahe der Grenze zum Libanon evakuiert worden. Man halte Kontakt zu Mateh Asher, so Krogmann. Es sei wichtig, die demokratischen Werte und den Frieden zu betonen und sich gemeinsam gegen den Hass zu stellen. Krogmann dankte der Bürgerstiftung für ihr unermüdliches Engagement in der Erinnerungsarbeit: „Ich weiß das sehr zu schätzen – in diesen schwierigen Zeiten umso mehr.“

Oldenburgs besondere Verantwortung
Der Vorsitzende der Bürgerstiftung und ehemalige Oldenburger Oberbürgermeister, Dietmar Schütz, machte deutlich, dass Oldenburg als erstes Land im damaligen Deutschen Reich, in dem die Nazis 1932 an die Macht kamen, eine besondere Verantwortung habe, vertriebenen und ermordeten Jüdinnen und Juden wieder einen sichtbaren Platz an den Stätten ihrer letzten Wohnorte zu geben. Mit den durch Spenden und Sponsoring finanzierten Erinnerungszeichen werde das ehemals jüdische Leben mit Hilfe der heutigen Bürgerinnen und Bürger in die Stadt zurückgeholt.

Erinnerungsarbeit mit klarem Ziel: „Nie wieder!“
Schütz kritisierte vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges „neben dem Antisemitismus alter Prägung“, der sich auch bei uns neu entfaltet hat, den „aktuell größtenteils importierten Antisemitismus“ und über arabisch-palästinensische Gruppen hereingetragenen Angriff auf jüdisches Leben und „jüdisches Hiersein“ in Deutschland. „Wer bei uns die sunnitische Hamas oder die schiitische Hisbollah als Befreiungsarmee zur Befreiung Palästinas und damit zur Vernichtung Israels begreift, stellt sich gegen einen Kernbereich unserer aus der Verantwortung für den Holocaust hergeleiteten Staatsraison, eine Schutzmacht Israels zu sein“, sagte Schütz. Er begrüßte es, dass die Bundesregierung und fast alle Teile der Opposition diese Staatsraison auf das Existenzrecht Israels betont haben. „Für unsere Erinnerungskultur bedeutet dies, dass wir der ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger weiter gedenken. Für die unter uns lebenden Jüdinnen und Juden bedeutet dies, dass wir es nicht zulassen, dass sich diese Geschichte wiederholt. Unsere Erinnerungsarbeit soll auf das ,Nie wieder‘ hinarbeiten. Und so soll es bleiben! Nie wieder!“

Nach der Gedenkveranstaltung im Rathaus folgte die Aufstellung der Erinnerungszeichen in Höhe des Geschäftshauses Haarenstraße 15 – an dieser Stelle befand sich einst die von Siegfried Weinberg betriebene Honig- und Wachshandlung – sowie an der Nordstraße 2, der damaligen Wohnadresse der Familie Weinberg.

Über das Schicksal von Siegfried Weinberg
Siegfried Weinberg wurde am 8. März 1859 in Oldenburg geboren. Er war verheiratet mit Johanna Weinberg, geborene van Buuren, die aus Amsterdam stammte. Seine Frau verstarb bereits 1927. Das Paar hatte zwei Töchter und einen Sohn – Erna, Annie und Ernst. Siegfried Weinberg war Inhaber der Firma S. J. Ballin & Co. Honig- und Wachshandlung, die damals an der Haarenstraße 15 ansässig war, und eines Metallgroßhandels an der Burgstraße 24. Von 1918 bis 1939 lebte die Familie im Hause Nordstraße 2. Während der Novemberpogrome vom 9. bis zum 10. November 1938 wurde Siegfried Weinberg so wie viele jüdische Männer in Deutschland verhaftet und in Schutzhaft genommen. Am 11. November 1938 wurde er aus dem Gerichtsgefängnis Oldenburg entlassen. Mit seiner Tochter Erna, deren Ehemann und seiner Enkelin suchte er 1939 Zuflucht in Amsterdam bei der Mutter seiner verstorbenen Frau. Dort wurden sie verhaftet und am 4. Mai 1943 über das Durchgangslager Westerbork (Niederlande) in das Vernichtungslager Sobibór (Polen) deportiert, das sie am 7. Mai 1943 erreichten. Sie wurden vermutlich noch am selben Tag ermordet. Enkelin Ingeborg wurde 1944 verhaftet und nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte den Krieg und ging in die USA. Dort fanden auch Siegfried Weinbergs zweite Tochter Annie und sein Sohn Ernst eine neue Heimat.

Erinnerungszeichen für Siegfried Weinberg in der Nordstraße 2, Bild: Bürgerstiftung

Erinnerungszeichen für Siegfried Weinberg in der Haarenstraße 15, Bild: Bürgerstiftung

Weitere Erinnerungszeichen folgen
Bis zum Auschwitz-Gedenktag am 27. Januar 2024 sollen weitere Erinnerungszeichen an folgenden Orten angebracht werden:

  • Achternstraße 62: Hier befand sich die Wohnung von Rosa Herzberg und Gertrud Meyerstein. Rosa Herzberg wurde im Ghetto Theresienstadt am 29. März 1943 ermordet. Gertrud Meyerstein starb im KZ Auschwitz, ihr Todesdatum ist unbekannt.
  • Bismarckstraße 25: Hier wird an Karolina Katz erinnert. Sie wurde im Ghetto Riga ermordet, ihr Todesdatum ist nicht bekannt.
  • Gottorpstraße 15a: Hier wohnte Familie Hesse. Normann Hesse, seine Ehefrau Margarete, geborene Meyer, sowie die Kinder Lea und Manfred wurden ins Ghetto Minsk deportiert und dort ermordet.
  • Grüne Straße 12 und 13: Das war der Wohnort von Babette „Betty“ Bernstein, geborene de Levie, und von Auguste Gertrud de Levie, beide ermordet am 9. November 1942 im KZ Auschwitz, sowie von Henny Silberberg, geborene Heinemann, ermordet am 18. August 1942 im Ghetto Theresienstadt.
  • Kaiserstraße 7: Hier wird erinnert an Alexander Hirschfeld und an seine Ehefrau Emma Hirschfeld, geborene Auerhan, beide ermordet im KZ Kowno. Ihr Todesdatum ist unbekannt.
  • Staustraße 3 und 4: Hier wird Samuel „Sally“ Ostro und Frieda Helene Ostro gedacht, ermordet vermutlich um den 20. September 1944 im Vernichtungslager Treblinka.
  • Wilhelmstraße 30: Hier wohnten Jutta Meyerhoff, geborene Wieneck, und Carla Meyerhoff, die im Ghetto Lodz ums Leben kamen, ihr Todesdatum ist nicht bekannt.

Im Mai nächsten Jahres sollen Erinnerungszeichen für die Familie Insel in der Roggemannstraße 25 angebracht werden – dann hoffentlich in Anwesenheit ihrer Nachkommen, die ihre bereits jetzt geplante Reise wegen des Krieges in Israel absagen mussten.

Rede von Herrn Schütz zur Einweihung der Erinnerungszeichen am 09. November 2023

Wie in den Vorjahren wollen wir auch heute am 9. Nov. wieder zum 3. Mal  Erinnerungszeichen an den Wohnhäusern unserer ermordeten  jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Stadt bringen.

Ursprünglich hatten wir zusammen mit der Stadt gehofft, dass Nachkommen der  Familie Insel aus der Roggemannstraße 25 mit uns die diesjährige Veranstaltung eröffnen. Dies vor allem deshalb, weil die Stadt den Erinnerungsakt mit einer Rückgabe von Teilen ihres Eigentums verbinden wollte, das sich jetzt im Besitz des Stadtmuseums befindet. Die Tickets für die Flüge waren bereits gebucht, die Hotelzimmer reserviert – aber der Krieg in Israel hat unsere Pläne zerschlagen. Wir müssen diesen Termin verschieben.

Gleichwohl wollten wir die Eröffnungsveranstaltung für die Installierung einer 3. Tranche der Erinnerungszeichen hier im Rathaus aufrechterhalten, weil gerade in den Zeiten des Krieges unsere Erinnerungsarbeit einen auch neuen Sinn bekommt. Dazu aber gleich!

Ich darf in einigen Sätzen daran erinnern, weshalb die Oldenburger Bürgerstiftung zusammen mit Werkstattfilm und gemeinsam mit der Stadt Oldenburg das „Erinnern auf Augenhöhe“ durchführen und worauf wir diesmal unseren Schwerpunkt setzen. Die oldenburgische jüdische Gemeinde hatte damals unter dem Vorsitz von Sarah Ruth Schumann zusammen mit der jüdischen Gemeinde in München die bundesweit laufende Aktion der „Stolpersteine“ abgelehnt. Sie wissen, vor den Häusern jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger sollten diese verlegt werden, um an deren Wohnungen mitten unter uns zu erinnern. Die Gemeinden lehnten dies deshalb ab, weil die bodennahen Stolpersteine mit den Namen der Ermordeten viel zu leicht absichtlich beschmutzt und mit Füßen betreten werden könnten. Diese Ablehnung wollten und mussten wir akzeptieren! Um trotzdem die Erinnerung an die Wohnungen mitten unter uns zu gewährleisten und nicht nur in einer Sammeltafel darauf hinzuweisen, haben wir diese „Erinnerungszeichen auf Augenhöhe„ in Absprache mit den Städten München und Oldenburg übernommen. Abweichend vom Münchener Modell bezahlen unsere Bürger diese Zeichen in Form von Spenden und Sponsoring selbst und nicht die Stadt. Unsere Absicht ist es, das ehemals jüdische Leben in unserer Stadt zu zeigen, es quasi mit Hilfe der heutigen Bürger wieder zurückzuholen und so dem „Nie wieder„ an Hand der aufgezeigten jüdischen Wohnhäuser eine Anschauung zu geben.

Wir wollen diesmal mit Siegfried Weinberg beginnen!
Er hat in der Nordstraße 2 gewohnt und in der Haarenstraße 15 sein Geschäft, eine  Honig- und Wachshandlung, betrieben. Gleichzeitig war hier auch die Annahmestelle seiner Wäscherei Edelweiß, deren Hauptstelle in der Uferstraße, in der Nähe seiner Wohnung lag. Das Geschäftshaus existierte schon lange vor Siegfried Weinberg und gehörte seinem Großvater Salomon Josef Ballin, der hier die Firma S.J. Ballin & Co. betrieben hatte. Das Gründungsdatum dieser Firma ist vermutlich 1812/1813. Damit gehört diese Firma zu den ältesten jüdischen Geschäften Oldenburgs.
Wir haben im vorigen Jahr schon an Siegfried Weinbergs Tochter Erna gedacht, die den Geschäftsmann Leopold Liepmann in der Schüttingstraße 20 geheiratet hatte.  An sie erinnert dort ein Erinnerungszeichen. Alle, nämlich Siegfried Weinberg, seine Tochter Erna und Leopold Liepmann wurden, nachdem sie vergeblich in die Niederlande geflohen waren, von dort über das Sammellager Westerbrok ( Holland) nach Sobibor transportiert und dort ermordet.

Jörg Witte, den ich hier herzlich begrüße, hatte im vorigen Jahr Liepmanns Enkeltochter Ingrid, verheiratete Heimann, in Florida aufgetan. Sie hatte Auschwitz und die nachfolgenden Todesmärsche überlebt, ist aber mittlerweile verstorben. Jahrzehnte später hat Steven Spielberg im Rahmen der Dokumentationen der Shoa-Foundation ihre Erlebnisse aufgezeichnet. Damit ist ein zweistündiges Interview als Zeitdokument der Oldenburgerin Ingrid Heimann erhalten geblieben. Ihre Tochter  Teri Heimann (also Siegfried Weinbergs Urenkelin) lebt heute noch in den USA und hat zu Jörg Witte Kontakt. Teri Heimann Rappaport ist über unsere Gedenkveranstaltung informiert und im Geiste bei uns. Aufgrund ihrer Krankheit kann sie aber nicht kommen.

 

Meine Damen und Herren,

wir werden gleich, wie in den Vorjahren, heute nur exemplarisch in der Haarenstraße 15 und in der Nordstraße 2  für Siegfried Weinberg die Erinnerungszeichen anbringen – wozu ich sie herzlich einlade – dann werden wir noch mehr über die Familie Weinberg hören.

In den nächsten Wochen, bis zum 27. Januar, dem Auschwitzgedenktag, werden wir die weiteren Erinnerungszeichen anbringen. Zusätzlich sind dies:

  • In der Achterstraße 62 die Wohnung von Rosa Herzberg und Gertrud Meyerstein.
  • Rosa Herzberg ist im Ghetto Theresienstadt am 29.3. 1942 ermordet worden; Gertrud Meyerstein ist im KZ Auschwitz ermordet worden. Ihr Todesdatum ist unbekannt.
  • In der Bismarkstrße 25 erinnern wir an Karolina Katz. Sie wurde im Ghetto Riga ermordet, ihr Todesdatum ist uns nicht bekannt.
  • In der Gottorpstraße 15a erinnern wir an Normann Hesse, deportiert ins Ghetto Minsk, sein Todesdatum ist uns nicht bekannt.
  • Aus der Gottorpstraße 15a wurden ebenfalls seine Ehefrau Margarete Hesse, geb. Meyer  und ihre Kinder Lea Hesse und Manfred Hesse ins Ghetto Minsk deportiert. Alle wurden ermordet.
  • In der Grünen Straße 12 und 13 erinnern wir an Babette „Bettsy“ Bernstein geb. de Levie, ermordet am 9.11.1942 im KZ Auschwitz. An Auguste Gertrud de Levie am gleichen Datum im KZ Auschwitz ermordet. An Henny Silberberg, geb. Heinemann , ermordet am 18.8. 1942 im Ghetto Theresienstadt
  • In der Kaiserstraße 7 erinnern wir an Alexander Hirschfeld, ermordet im KZ Kowno. Das Todesdatum kennen wir nicht. An seine Ehefrau Emma Hirschfeld geb. Auerhan, die ebenfalls im KZ Kowno an einem unbekannten Datum ermordet wurde.
  • Wir erinnern in der Staustraße 3/ 4 an Samuel „Sally“ Ostro, ermordet vermutlich um den 20.9.1944 im Vernichtungslager Treblinka und an Frieda Helene Ostro mit dem gleichen Schicksal.
  • In der Wilhelmstraße 30 erinnern wir an Jutta Meyerhoff geb. Wieneck, ermordet zu unbekanntem Datum im Ghetto Lodz und an. Carla Meyerhoff, ebenfalls im Ghetto Lodz ermordet.
  • Die Erinnerungszeichen für die große Familie Insel in der Roggemannstraße 25, von der ich anfangs gesprochen habe, planen wir im Mai in Anwesenheit mit den dann hoffentlich kommenden  Nachkommen anzubringen. Ebenfalls werden wir für die zahlreichen Familienmitglieder der Familie de Beer im Zusammenhang mit einer geplanten Veranstaltung einen gesonderten Termin finden. Die Erinnerungszeichen sind bereits fertig.

 

Meine Damen und Herren,

ich hatte vor zwei Jahren, zu Beginn unserer Aktion, gerade für uns Oldenburger, deren Reichsland das erste Land mit nationalsozialistischer Regierung im Deutschen Reich war, von einer besonderen Verantwortung gesprochen, gerade hier unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wieder einen sichtbaren und ablesbaren Platz an den Stätten ihrer letzten Wohnung zu geben. Wir markieren mit den Erinnerungszeichen die Wohnungen der Ermordeten, um sie in unsere Stadt zurückzuholen.

Es ist eine Schande und ein unsägliches  Zeichen barbarischen Antisemitismus, wenn heute bei den unter uns lebenden Jüdinnen und Juden in einigen Städten mit dem Zeichen des Davidssterns deren Wohnungen markiert werden, um so einmal der Verängstigung, der absoluten Verunsicherung und offensichtlich ein mögliches Anschlagsziel zu adressieren. Der so manifest werdende Antisemitismus ist – neben dem Antisemitismus alter Prägung, der sich jetzt bei uns neu entfaltet – aktuell größtenteils ein importierter, über arabisch-palästinensische Gruppen hereingetragener Angriff auf jüdisches Leben und „jüdisches Hiersein“ in Deutschland. Dies geschieht nach dem barbarischen, alle menschlichen Maße sprengenden terroristischen Überfall der Hamas auf ein Kibbuz am 7. Oktober in Israel. Die Vorstellung der Auslöschung des Staates Israel gemäß dem auf Demonstrationen gezeigten Motto: „From the River to the sea, Palestine will be free.“ negiert den Kern unserer nach dem Holocaust angenommenen deutschen Verantwortung und Staatsraison, eine Schutzmacht der Existenz Israels zu sein. Sie trifft auch den Kern unserer jetzt mühsam entwickelten Erinnerungskultur, in der wir endlich Verantwortung für unsere Geschichte und für die Existenz unserer hier und jetzt lebenden jüdischen Mitbürger angenommen haben. Eine Revision dieser Geschichte und eine Ausklammerung eines wichtigen Teils unserer Gesellschaft lassen wir nicht zu. Wer Mitglied unseres Staatsverbandes als deutscher Staatsbürger sein will, muss sich auch unserer Geschichte stellen. Wer bei uns die sunnitische Hamas oder die schiitische Hisbollah als Befreiungsarmee zur Befreiung und damit zur Vernichtung Israels begreift, stellt sich gegen einen Kernbereich unserer von fast allen Parteien getragenen Staatsraison. Es gibt in der Frage der Existenz und des Fortbestehens des Staates Israel kein ja, aber – auch nicht bei nicht akzeptierter Siedlungspolitik oder einer kritisierbaren Justizpolitik. Es kann auch keine Äquidistanz zu Israel und den Palästinensern geben, wenn es um die Frage der Existenz Israels geht.
Es gilt der alte Sponti-Spruch: In Gefahr und großer Not, ist der Mittelweg der Tod. Vielleicht gilt dies auch bei Abstimmungen in der UNO.

Ich habe gerade stärker vom importierten Antisemitismus gesprochen. Dies mag die Zunahme des aktuell auftretenden Antisemitismus erklären. Es darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass innerhalb unserer Gesellschaft  immer noch aus unserer eigenen Vergangenheit und neu befeuert ein nicht unerheblicher Anteil von Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und auch antimoslemischen Haltungen gepflegt wird. Jeder, der sich dieser Haltung entgegenstellt, verdient unsere Unterstützung. Ich habe deshalb den Aufschrei in den Leserbriefspalten unserer Presse nicht nachvollziehen können,  bei der unserem Polizeipräsidenten von nicht wenigen inklusive eines hiesigen Hochschullehrers eine pflichtwidrige Verletzung des Neutralitätsgebots vorgeworfen wurde. Er hatte auf Tendenzen innerhalb der AfD hingewiesen, die mit der Verfassung kollidieren. Was ist denn die Betonung von völkischen Grundpositionen anderes als ein Ausklammern und Ausgrenzen anderer Menschen und deren Würde. Natürlich sind Beamte der Neutralität gegenüber allen Parteien verpflichtet. Das entbindet sie aber nicht davon zu schweigen, wenn Entwicklungen eintreten und sie beobachtet werden, die der Demokratie und unserem Zusammenleben gefährlich werden können.

„Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentwicklung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“ hat Carlo Schmid, der große Staatsrechtler und Politiker aus dem Anfang unserer Republik gesagt.

Ich füge hinzu, dann kann und darf man nicht neutral sein. Wir werden denjenigen nicht die Hand reichen, die unseren Grundkonsens  angreifen, um ihn zu zerstören. Im Gegenteil, sie fordern unseren massiven Widerstand heraus.

Die Bundesregierung hat erfreulich klar und deutlich zusammen mit fast allen Teilen der Opposition die aus unserer Geschichte hergeleitete Staatsraison auf das Existenzrecht Israels in diesen Zeiten des Krieges betont und danach gehandelt. Für unsere Erinnerungskultur bedeutet dies ebenfalls, dass wir der ermordeten jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger weiter gedenken und sie in unsere Stadt zurückholen. Für die unter uns lebenden Jüdinnen und Juden bedeutet dies, dass wir es nicht zulassen, dass sich diese Geschichte wiederholt. Unsere Erinnerungsarbeit soll auf das „Nie wieder“ hinarbeiten.

Und so soll es bleiben! „Nie wieder!“

Zusatzschild für Carl Wöltje

Es ist nur eine kleine Straße, aber auch dort weißt nun ein Zusatzschild auf den Namensgeber hin. Gemeint ist die Carl-Wöltje-Straße.

Im Beisein von Dr. Wilbers, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fa. CEWE, haben wir die Enthüllung vorgenommen. Anwohner und Besucher Oldenburgs erfahren jetzt im Vorübergehen mehr über Carl Wöltje und weitere Informationen können über den QR-Code-Aufkleber am Mast abgerufen werden.

Möchten Sie mehr über das Projekt und Carl Wöltje erfahren? Dann schauen Sie hier.

v.l.: Dietmar Schütz, Dr. Wilbers (Fa. CEWE), Stefanie Gravekarstens und Karin Dierks – Bild: Sascha Stüber